Was Wird bleiben?

Es ist ein Ros entsprungen!

So beginnt ein immer noch populäres Weihnachtslied aus dem 16. Jahrhundert. China ist natürlich sehr viel älter als dieses Lied, also nicht die Volksrepublik, die ist sogar noch jünger als die 2. Republik Österreich. Aber in eben dieser Volksrepublik ist zu unserem letzten Weihnachtsfest etwas anderes entsprungen. Das glaube ich jedenfalls, denn das mit dem Tiermarkt und dem vielleicht zufälligen Sprung auf einen menschlichen Kunden wundert mich doch sehr, weil es diesen und andere Märkte mit dem Verkauf von Tieren, auch wilden, schon sehr lange gibt, viel länger als die Volksrepublik.

Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien, aber zu glauben, dass plötzlich so ein kecker Virus Lust hatte, sich mit einem Menschen anzulegen, um mal zu sehen, wer denn der Stärkere ist, oder weil ihm einfach fad war in der Schlange, das fällt mir doch schwer.

Ich glaube allerdings nicht, dass hier Vorsatz im Spiel war, auch wenn da ganz abenteuerlustige Ideen im Netz kursieren. Ich gehe von Schlamperei aus, oder political correct ausgedrückt: von menschlichem Versehen. Dafür hat ja ein jeder Verständnis, denn der Mensch ist bekanntlich ein fehlerhaftes System, er hat ein Recht darauf Fehler zu machen. Dass der Mensch gleichzeitig eine unbändige Lust auf unberechenbare Risiken hat, macht ihn doch so sympathisch. Er will doch nur spielen und am Liebsten halt mit dem Feuer.

Und das Entsprungene ist auch noch so hübsch, also dieses, bei den anderen, die sicherlich irgendwann auch noch zu Besuch kommen werden, wissen wir es ja noch nicht. Und dann ist „Es“ ja auch noch so klein, wer kann denn ständig auf diese kleinen Racker aufpassen? Das schafft doch niemand.

Okay, es ist eigentlich verboten, sich überhaupt mit ihnen zu beschäftigen. Aber was heißt schon verboten? Wer hat nicht schon mal falsch geparkt, oder ist mal schnell zwei Stationen mit der Tram schwarzgefahren, mal ehrlich? Ist aber auch verboten.

Interessant ist, wie sich unser Verhalten langsam ändert. Wir nehmen uns wieder als Mitmenschen wahr, nicht mehr als Futterkonkurrenten im Supermarkt, oder als Störfaktor auf dem Fußgängerüberweg. Überall sprießen die Aktionen der Solidarität sprichwörtlich aus dem Boden. Die Politiker und die Vertreter der Interessenverbände sind sich plötzlich so einig, selbst die übliche Besserwisserei vor der Kamera findet nicht mehr oder wenn, dann nur noch in homöopathischen Dosen statt.

Das Virus wird wieder verschwinden, aber was wird bleiben?

Wien, März 2020
Hans-Peter Lauenroth